Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war? – Eine Feier des Einzigartigen
Der Applaus war groß bei der Eröffnung der Sektion Generation 14plus auf der Berlinale. Der Film Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war? von der Regisseurin Sonja Heiss begeisterte Jugendliche und Erwachsene, Publikum und Fachpresse gleichermaßen. Nun kommt er in die Kinos.
Der Film basiert auf dem autobiographischen Projekt des Schauspielers und Autoren Joachim Meyerhoff. Zunächst war es als Inszenierung am Wiener Burgtheater ein großer Erfolg, ehe die Romane zu Bestsellern wurden. Meyerhoff hatte mehrere Anfragen für Verfilmungen abgelehnt, bevor er sich für Sonja Heiss‘ Idee entschied. Seine Entscheidung war goldrichtig, dem Film gelingt es beeindruckend, die Stimmung des Buches, Humor wie Trauer, auf die Leinwand zu bringen.
Joachim wächst auf dem Gelände einer Psychiatrie auf, für ihn ein großer Spielplatz. Er lebt dort mit seinem Vater, dem Professor der Einrichtung, seiner Mutter und seinen beiden großen Brüdern zusammen – und mit den liebenswürdigen Patientinnen, deren Krankheit weder romantisiert noch verlacht wird. Doch wer Patientin ist und wer nicht, ist dem Film gar nicht so wichtig. Was normal ist – die Henkels jedenfalls nicht! – verliert an Bedeutung. Wenn seine Eltern streiten, flüchtet sich Joachim zu den Patient*innen. Der Film ist so berührend, weil er jede seiner Figuren in ihrer Einzigartigkeit ernstnimmt.
Wir begleiten Joachim von seiner Kindheit (Camille Loup Moltzen) über die Jugend (Arsseni Bultmann) bis ins junge Erwachsenenalter (Merlin Rose). Der Film ist herrlich skurril, die Kreativität, sowie die besonders im ersten Teil des Films hohe Dichte an Pointen sorgen für viel Freude. Joachim schnorchelt bis der Bauchnabel seines Vaters trocken ist, seine Wutanfälle sind nur durch den Schleudergang der Waschmaschine zu beenden. Er verliebt sich bis über beide Ohren in die hübsche, nur Bifis essende Marlene (Pola Geiger), wir sind bei seinem ersten Kuss dabei. Doch der Film verweilt nicht bei der heiteren Seite des Aufwachsens. Er zeigt Herzschmerz, Trauer und die Unbegreiflichkeit einer Depression. Joachim muss lernen, was der Tod ist und – besonders herzzerreißend – was seine englische Übersetzung ist.
Schmerzhaft ist auch die Erkenntnis, dass die Eltern ein eigenes Leben führen. Die Ehe von Joachims Eltern ist unglücklich. Seine Mutter (Laura Tonke) träumt sich nach Italien, doch statt mit einer Vespa durch Rom zu fahren, sitzt sie in einer Jolle in der schleswigschen See. Der Vater (Devid Striesow) geht eigene Wege. Joachim versucht vergeblich, die Betten der Beiden zusammenzuschieben. Aus der kindlichen Perspektive ist das Zusammensein der Eltern wichtiger als ihr Glück. Der Streit eskaliert, als die fantastische Laura Tonke mit einem brandneuen Küchen‐Schneidegerät das Weihnachtsfest zerlegt. Erst am Ende des Films rücken die Betten wieder aneinander.
Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war? wirft einen Blick zurück in eine Kindheit, die es so nie gab. Sonja Heiss ist eine wunderbarer Film gelungen, erfüllt von hinreißend‐lustigen Momenten und herzzerreißender Wehmut. Frisch von der Berlinale kommt der Film nun nach Tübingen. Lassen Sie ihn sich nicht entgehen.
Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?
D 2023 — Regie: Sonja Heiss. Drehbuch: Sonja Heiss und Lars Hubrich, nach dem Roman von Joachim Meyerhoff. Mit: Laura Tonke, Devid Striesow, Arsseni Bultmann. Warner, 116 Minuten.
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