01. Dez. 2023
14.00 Uhr
Taiwan steht vor erneuten Parlaments‐ und Präsidentschaftswahlen, die Anfang Januar des kommenden Jahres stattfinden werden. Das ganze Land ist im Wahlfieber, so scheint es, und in den inländischen und internationalen Medien geht es um nichts anderes als um Umfrageanalysen, mögliche parteipolitische Allianzen und die Auswirkungen der Wahlen auf die sino‐taiwanischen Beziehungen. Da kommt ein Filmfestival, dass die Perspektive wechselt und einen Blick auf die Probleme und Alltagssorgen der taiwanischen Gesellschaft richtet, gerade recht. Es schafft Distanz zur „großen Politik“, hinter der die „normalen Menschen“ allzu oft verschwinden.
In diesem Jahr begrüßen wir den renommierten Filmemacher Huang Hsin‐yao und zeigen vier Dokumentarfilme und einen Spielfilm „aus seiner Hand“. Die Themenpalette ist breit; doch legt der Regisseur in seinem Werk einen besonderen Schwerpunkt auf die Felder Umwelt und Nachhaltigkeit, die auch in Taiwan zunehmend an gesellschaftspolitischer Bedeutung gewinnen. Wie immer besteht die Möglichkeit, intensiv mit dem Regisseur zu diskutieren. Wir werden unser Filmfestival das letzte Mal im Kino Arsenal ausrichten, das leider zum Jahresende schließen muss – ein besonderer Grund, möglichst viele an Ostasien und Taiwan Interessierte zum Besuch zu motivieren. Das Team des European Research Center on Contemporary Taiwan (ERCCT) freut sich auf Sie!
Freitag, 1. Dezember 2023
14:00 – 14:20 Eröffnung 開幕儀式
14:20 – 15:50 Dog with Man 多格威斯麵
15:50 – 16:10 Pause 休息
16:10 – 17:10 Alibaba 阿里88
17:10 – 17:40 Diskussion mit dem Regisseur 黃信堯
17:40 – 18:00 Brezelpause
18:00 – 20:00 The Great Buddha+ 大佛普拉斯
Samstag, 2. Dezember 2023
10:30 – 12:00 Bluffing 唬爛三小
12:00 – 13:10 Mittagspause 午飯
13:10 – 14:30 Taivalu 紀錄片
14:30 – 15:30 Abschlussdiskussion mit dem Regisseur
Alle 5 Dokumentarfilme zusammen 8,- € | der Spielfilm 6,- €
Dog with Man多格威斯麵 (2002, 88 min.)
Ke Cihai ist ein moderner Don Quichotte in Taipei. Er kümmert sich liebevoll um die in Taiwan verbreiteten Streunerhunde. Aufgrund der Verwicklung in Gerichtsprozesse, beginnen die Medien, ihn als Kriminellen darzustellen, wogegen er sich heftig wehrt. Dabei erfindet er eine eigene Protestform – mit der er in ganz Taiwan große Bekanntheit erlangt… Der Film begleitet Ke für eineinhalb Jahre bei seinem Aktivismus und stellt uns dabei weitreichende Fragen zur Wahrheit in einer medienvermittelten Welt.
Ali‐88 阿里八八 (2011, 57 min.)
Am 8. August 2009 bringt Morakot, der schlimmste Taifun seit Jahrzehnten, schwere Verwüstungen über Taiwan, vor allem in den Bergen. Bei der Beobachtung der anschließenden Instandsetzung von Straßen zum touristisch stark vermarkteten Ali‐Berg (Alishan) stellt Huang Hsin‐Yao Fragen nach dem Sinn von immer mehr Asphalt für immer mehr Reisebusse in diesem Naturparadies und stößt dabei auf einen ganzen Berg aus grotesken Wirtschaftsmärchen und absurdem Selbstbetrug.
Bluffing 唬爛三小 (2005, 88 min.)
Bluffing begleitet die Freundesclique aus der High School‐Zeit des Regisseurs beim Übergang von einer unbeschwerten Jugend ins Erwachsenen‐ und Berufsleben. Haben sie zuerst noch viel Zeit, im Bubble Tea‐Shop sorglos rumzualbern, erleben sie dann allmählich die Sorgen, Nöte und Frustrationen, die zum Ernst des Lebens gehören. Manche werden währen des Wehrdiensts von ihrer Freundin verlassen, einer scheitert mit einem Selbstmordversuch und am Ende sind sie Büroangestellte, Elektromarktverkäufer oder Verwaltungsbeamter – alles mit einer Mischung aus Wärme und schwarzem Humor kommentiert und begleitet von Huang Hsin‐yao.
Taivalu 沉沒知道 (2010, 78 min.)
Nach dem für Taiwan katastrophalen Taifun Morakot von 2008 spendete der pazifische Inselstaat Tuvalu 210.000 US‐Dollar Katastrophenhilfe, 1% seines Bruttoinlandsprodukts. Die internationale Gemeinschaft schätzt, dass Tuvalu der erste Staat ist, der aufgrund des Klimawandels in ca. 50 Jahren unter dem ansteigenden Meeresspiegel verschwinden wird. Und da es leichter ist, sich mit den Problemen anderer Leute zu beschäftigen als mit den eigenen, verlässt der Regisseur nach dem Trauma der Taifun‐Katastrophe Taiwan für eine Weile, um von einer anderen bedrohten Insel – Tuvalu – aus nach Antworten zu suchen.
The Great Buddha+ 大佛普拉斯 (2017, 144 min.)
Caipu arbeitet als Wachmann für den reichen Fabrikanten Huang Qiwen, der Buddha‐Statuen herstellt und sich auch als Künstler und Philanthrop einen Namen gemacht hat. Tatsächlich bekommt Huang aber die Aufträge für seine Fabrik durch Bestechung der lokalen Beamten, und er führt ein interessantes Nachtleben. Als Caipu und sein Freund, der Müllsammler Ducai zufällig auf einem Video sehen, dass Huang seine heimliche Geliebte umgebracht hat, nimmt das Unheil seinen Lauf… Mit viel schwarzem Humor gibt Huang Hsin‐yao in The Great Buddha+ sein Spielfilm‐Debut.
Gastregisseur Huang Hsin‐yao 黃信堯
Huang Hsin‐yao (Jahrgang 1973) stammt gebürtig aus Tainan und studierte Dokumentarfilm und Filmarchivierung an der dortigen Staatlichen Kunsthochschule. Mit Bluffing als Masterarbeit schloss er das Studium 2005 ab, gewann aber auch gleich den renommiertesten Preis der chinesisch‐sprachigen Filmwelt, den Golden Horse Award, für den besten Dokumentarfilm. Anschließend wendete er sich Fragen nach dem Verhältnis von Mensch und Umwelt zu, wie etwa mit Ali‐88 und Taivalu. Mit seinem Spielfilmdebüt The Great Buddha+ konnte Huang erneut bei den Golden Horse Awards punkten und bekam den Preis als Bester Nachwuchsregisseur.